In der Galerie Zaiß zu sehen: Jochen Wahls „Unterwürfigkeitsverletzung“. Man muss schon genauer hinsehen, um etwa die Feinheiten des „Schwebenden Gefesselten mit Lenker“ zu erkennen. Foto: dot

Surreale Kunst, die Tierisches und Menschliches verbindet

Mit freundlicher Genehmigung der Schwäbischen Post

Ausstellung Die Aalener Galerie zeigt Arbeiten des 2007 verstorbenen Künstlers Jochen Wahl. Was diese „Unterwürfigkeitsverletzungen“ zeigen.
Von Dagmar Oltersdorf

Aalen. Dicke Seile umschlingen einen unförmigen Körper. Pressen ihn zusammen. Fast wie eine fette Made sieht das Paket aus. Wäre da nicht eine ausgestreckte Hand, die mit in diesem Paket zusammengeschnürt ist. „Schwebender Gefesselter mit Lenker“ heißt diese Federzeichnung von Jochen Wahl. Geschaffen hat sie der 2007 verstorbene Künstler im Jahr 1976. Fünf Jahre also, bevor der Filmemacher Terry Gilliam mit seinen „Time Bandits“ ein Sammelsurium an skurrilen Phantasiegestalten auf die große Kinoleinwand brachte. Ob Gilliam die Arbeiten von Wahl kannte? Eher unwahrscheinlich, trotz dieser Assoziation. Fest steht: betrachtet man die unter dem Titel „Unterwürfigkeitsverletzungen“ zusammengefasste Werkschau in der Aalener Galerie Zaiß, muss man genauer als im Film hinsehen, um die Feinheiten der einzelnen Arbeiten zu erkennen.

Wahls surreale Figuren

„Unterwürfigkeitsverletzung“ - Dirk Mende spricht jede Silbe einzelnen aus, als er bei der Vernissage am vergangenen Sonntagvormittag, an dem Jochen Wahl Geburtstag gefeiert hätte, in dessen Werk einführt. „Ein monströser Wortkörper“, beschreibt Mende, der Wahl seit der Schulzeit gut kannte, dann dieses Wort. Dessen beide Teile seien negativ besetzt, es gehe also um Deutung und Bedeutung. Da sei die Verletzung durch die Unterwerfung des einen durch den anderen. Aber eben auch, dass der Unterwerfende sich verletzt fühlen könnte. Wahls Arbeiten, so Mende, zeigen physische und psychische Unterwerfungen, von leicht bis schwer, gar tödlich. Sie zeigen Macht und Ohnmacht. Freiheit und Selbstbestimmung, aber auch Majestätsbeleidigungen. Die Verfolgung Andersdenkender.

Das alles aber in surrealen Figuren, Bildern, Situationen. Wahls Gestalten und Gestaltungen verbinden Menschliches und Tierisches, Organisches und Trash. Zauber, und Narren, zwergenhafte Gestalten, Krallen und Rüstungen - verschobene Physiognomien mit übergroßen Augen, kleine oder dürre lange Körper - die einen auch ein wenig gruseln lassen.

„Festgezurrte, gefesselte Narren und Gaukler“, so umschreibt Mende die Arbeiten des „reichen Fabrikantenzöglings“, der nach dem Tod seines Vaters ins Internat nach Salem kam. Dort habe er, der unter Autoritäten litt, Verletzungen erlitten, sich aber nie unterworfen. Später lernte Jochen Wahl unter Hausner an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Wien, der zu den Hauptvertretern des Phantastischen Realismus gehörte.

Doppelausstellung: Zaiß und Hugs Weinkontor.

Zu sehen ist die Ausstellung Mittwoch bis Freitag von 14 bis 18 Uhr und Sonntag von 14 bis 17 Uhr in der Galerie Zaiß in der Langerstraße 44 in Aalen. Ebenfalls zu sehen sind dann Farbradierungen von Jochen Wahl ab Mittwoch, 1. November, in der Bahnhofstraße 78 in Hugs Weinkontor. Eröffnung der Ausstellung ist dort am 1. November, 14.30 Uhr, mit einer Lesung und Texten zum Thema „Unterwürfigkeitsverletzung“ mit Jörg Hirsch, Dirk Mende und Alice Katharina Schmidt.